Immer mehr Menschen leben weltweit in Städten und dieser Trend scheint ungebrochen. Die urbanen Zivilisationen können ihren immensen Hunger nach Energie und Rohstoffen kaum noch decken, so dass der Raubbau an der Natur immer schlimmere Ausmaße annimmt. Ein Umdenken findet nur langsam statt. Schon vor 20 bis 30 Jahren hat es begonnen, erst in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde mit der politischen Umsetzung wichtiger Umweltpolitischer Ziele auf größerer Ebene ernst gemacht, als in immer mehr Ländern grüne Umweltbewegungen in den westlichen Zivilisationen verstärkt Einfluss gewannen.
Der lange Weg zur dezentralen Energieversorgung

Ein wichtiges Thema dabei ist die Energieversorgung der Zukunft, in
Deutschland gern mit dem Wort „Energiewende“ bezeichnet, was für mich
schon langsam den Titel „Unwort des Jahres“ verdient. Aber der
Grundgedanke ist der richtige: Wir können nicht mehr so weitermachen wie
bisher und die natürlichen Rohstoffe ausbeuten. Damit rückt unser
Ökosystem immer mehr dem Kollaps nahe. Viele Regierungen unterliegen
deshalb dem Irrglauben, mit der Nuklearenergie und dem Bau von
Kernkraftwerken ihre Energiesorgen langfristig lösen zu können. Auch die
deutsche Bundesregierung beschritt diesem Irrweg bis zu einem Erdbeben,
einem Tsunami und einem weiteren katastrophalen Supergau, der viele
zivile Opfer gefordert hat und dessen ökologische Folgen genauso wenig
abschätzbar sind, wie die Folgen der Ausbeutung fossiler Rohstoffe. Die
einzig richtigen Formeln zur Lösung des Problems lauten in meinen Augen:
Energie dort erzeugen, wo sie gebraucht wird und vor allem weniger
Energieverbrauch, höhere Effizienz.
Wir leben in Städten, benötigen viel Energie und Rohstoffe zur
Sicherstellung unserer Bedürfnisse, die ebenfalls exorbitante Ausmaße
angenommen haben. Der Wohlstand und der Glaube an das Wachstum treiben
nicht nur auf den Kapitalmärkten sondern auch in den Köpfen von uns
Konsumenten manch merkwürdige Blüte aus und die Sucht nach mehr muss
gestillt werden.
Nicht alle Probleme können gleichzeitig angepackt werden, aber ein Thema
muss jetzt angegangen werden: das Thema wie können wir unsere
Energieversorgung zukünftig nachhaltiger gestalten in einer immer
stärker urbanisierten Welt?
Weniger Verbrauch

Das Naheliegendste ist oft das Schwerste. Warum müssen wir eigentlich
immer mehr verbrauchen? Und das bei steigender Effizienz dank
technologischem Fortschritt? Ich persönlich glaube es ist die Gier nach
mehr. Hat uns früher ein 55cm Röhrenfernsehr gereicht, der mit 70 Watt
ausgekommen ist, muss es heute schon ein 50 Zoll Plasmafernseher sein.
Ein kleines LED-Gerät, etwa so groß wie das alte, würde genauso viel,
wenn nicht sogar weniger Strom verbrauchen, aber wir holen uns ein Gerät
ins Haus, das dreimal so viel Strom frisst. Weil wir es uns leisten
können und weil wir glauben es zu brauchen. Doch dem ist nicht so. Wir
glauben genauso im Winter Obst essen zu müssen, das 10.000km mit dem
Flugzeug um den Globus geflogen ist, wie wir der Meinung sind, jeden Tag
Fleisch konsumieren zu müssen.
Der Wachstumsglaube, der unserer Gesellschaft zugrunde liegt, prägt
unser wirtschaftliches und privates Verhalten und ist zum Grundmuster
aller westlichen Zivilisationen geworden. Doch was ist, wenn wir mal
nicht wachsen? Zumindest nicht in unserem Konsumverhalten. Warum nicht
ein defektes Gerät durch eines gleicher Art mit höherer Effizienz
ersetzen? Allein durch effizienzsteigernde Maßnahmen kann der
Energieverbrauch der privaten Haushalte drastisch reduziert werden – und
das ohne Einschränkungen. Denn die bisherige Funktion bleibt erhalten,
ich erhalte zwar „nur“ genauso viel Funktionalität wie vorher, aber zu
einem deutlich geringeren Ressourcenbetrag. Wenn die Botschaft auf
Effizientere Geräte mit höheren Wirkungsgraden zu setzen, wird das Thema
Energiewende etwas entschärft, jedoch nicht gelöst. Denn ein weiterer
Faktor gehört zum Thema weniger Verbrauch dazu: Die Änderung des
persönlichen Verhaltens. Wenn ich mich weniger von Fleisch und mehr von
regionalen Produkten ernähre, stärkt das zum einen die lokale Wirtschaft
und zum anderen ist es wesentlich klimafreundlicher. Doch diese
Botschaft ist auch nicht neu. Sie ist nur trotzdem immer noch nicht in
den Köpfen der Menschen angekommen. Viele Wege mit dem Auto sind
überflüssig und könnten mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Das ist
kein Muss und kein Allheilmittel aber es ist ein kleiner Beitrag zur
Verringerung der Enerigeverschwendung.
Energie bewusster werden lassen – Dezentrale Erzeugung beim Verbraucher
Über die Diskussion und das Für und Wider von zentralen und dezentralen
Energieversorgungsanlagen gibt es zahlreiche Abhandlungen, unter
Berücksichtigung aller wirtschaftlichen und technischen Aspekte. Doch
eine ganz zentrale Komponente wird dabei oft vergessen: Die Psychologie.
Ich bin Geograph und kein Psychologe aber ich kenne das Gefühl, etwas
zu ernten, was ich selbst angebaut habe. Das ist mit einer viel größeren
Wertschätzung verbunden als mit irgendeinem fertigen Produkt. Allein
das Wissen, dass die Energie, die gerade Verbraucht wird, von einer
Solarzelle auf dem Dach oder einem Windrad auf dem benachbarten Hügel
kommt, hat einen wichtigen psychologischen Effekt. Warum sollte man also
die Energie nach Möglichkeit nicht dort erzeugen wo sie auch benötigt
wird?
Das Thema solarer Städtebau ist ein wichtiger Baustein in diesem
Konzept, dem ich mich bereits in meiner Diplomarbeit gewidmet habe, und
in dessen Umsetzung ich einen zentralen Meilenstein auf dem Weg zu einem
anderen Umgang mit Energie sehe. Dazu gehören nicht nur die
Installation von solarthermischen Anlagen zur Warmwasser- und
Heizungsunterstützung oder Photovoltaikanlagen zur Stromerzeugung
sondern auch die Nutzung von natürlichem Licht zur Ausleuchtung von
Räumen und zur Steigerung des Wohlbefindens.
Doch insgesamt sollte nicht der Neubau sondern die Umgestaltung des
Gebäudebestands im Vordergrund stehen, denn wir können nicht ganze
Städte dem Erdboden gleich machen und nach neuen Vorstellungen errichten
– auch dies würde dem Nachhaltigkeitsgedanken völlig widersprechen. Ich
habe bereits 2008 und 2009 im Rahmen meiner Diplomarbeit
unterschiedliche Gebäudetypen eines definierten Stadtviertels auf ihre
Eignung für die Nutzung mit Solaranlagen untersucht und dabei auch
festgestellt, dass die Potentiale für solarthermische Anlagen noch viel
größer sind als für die Photovoltaik.
So sind die in vielen europäischen Städten weit ausgeprägten Quartiere
der Gründerzeit nicht wirklich gut für die Installation von
Sonnenkollektoren zur Stromerzeugung geeignet, da deren Dachflächen
zahlreiche Aufbauten und Erker aufweisen. Durch eine Modernisierung
dieses Bestands hinsichtlich Wärmedämmung und Klimatisierung unterstützt
durch solarthermische Kollektoren können in diesen Stadtvierteln große
Effizienzpotentiale gehoben und gleichzeitig die Konzentration von
Feinstaub durch Reduktion von Emissionen aus Feuerungsanlagen reduziert
werden. Man muss es nur tun.
Anders sieht es bei großflächigen Bauten aus den 50er und 60er Jahren
aus. Die dort errichteten geraden oder geneigten Dachflächen sind groß
genug für ausgedehnte Photovoltaikanlagen mit effizienter
Wechselrichtertechnik. Solche Anlagen lassen sich auch in Deutschland
wirtschaftlich betreiben. Die Berücksichtigung des wirtschaftlichen
Aspekts widerspricht zwar meinem Gedanken nach einem Stillstand des
Wachstums, ist jedoch realistisch betrachtet, die einzige Möglichkeit
zur Durchsetzung dieser Systeme auf dem freien Markt.
Und der „Häuslebauer“ pflastert sein Dach ebenfalls mit Anlagen voll, da
es die Solarförderung in Deutschland möglich macht. Sicher, diese
Flächen mögen geeignet sein, aber wirtschaftlich ist das häufig noch
nicht. Man solle das jedoch nicht aus den Augen verlieren und die
Möglichkeiten der gesteigerten Effizienz der Module in den kommenden
Jahren und Jahrzehnten berücksichtigen – dann werden sich auch solche
Dachflächen wirtschaftlich (ohne Subvention) sinnvoll zur Stromerzeugung
nutzen lassen.
Doch die Marschrichtung solarer Städtebau allein wird die Probleme nicht
lösen können. Denn nachts scheint die Sonne nicht, aber gerade dann
benötigen wir Energie zu Hause. Doch auch die Speichertechnik kann vor
Ort installiert werden. Erste konzeptuelle Prototypen sind bereits im
Einsatz. Dies sind effiziente Batterien, deren Umweltverträglichkeit und
Entsorgung allerdings noch problematisch ist. Zum anderen steht die
Brennstoffzellentechnologie marktreif in den Startlöchern. Es gibt
bereits Systeme, die tagsüber mit dem nicht benötigten Solarstrom Wasser
spalten, den Wasserstoff speichern und nachts wieder Strom erzeugen,
wenn kein Solarstrom zur Verfügung steht. In ein paar Jahren werden
diese Anlagen nicht größer als eine Heizungsanlage sein, die in den
meisten Kellern ihr Dasein fristet. Das kann ein Baustein dazu sein,
dass die Stadt ihren Energiehunger zum Teil selbst stillen kann. Für die
großen Verbraucher, wie die Industrie und große Dienstleistungsbetriebe
wird das nicht reichen.
Als zentrales Instrument bieten sich Geographische Informationssysteme
an, denn damit können die bereits vorhandenen Geobasisdaten der
Kommunen, wie Grundkarteninformationen, Luftbilder und digitale
Geländemodelle genutzt werden, um noch nicht ausgeschöpfte Potentiale zu
identifizieren.
Die Rolle der klassischen Großversorger
Besonders für die altgedienten Großversorger wird es zunehmend
schwieriger die eigene Rolle neu zu denken. Der Markt wandelt sich
scneller, als die Konzerne reagieren können. Heute kann jeder sein
eigener Versorger sein. In Punkto Versorgungssicherheit verlässt sich
dann aber doch jeder darauf, dass wenn die Sonne nicht scheint, zur Not
ja noch der Strom aus der Steckdose des Atomkraftwerks um die Ecke
kommt. Hier wird das Kerngeschäft der heutigen Großversorger liegen – in
der Erhaltung der Netzstabilität und in der Abdeckung von
Versorgungslücken. Doch damit wird weitaus weniger Geld zu verdienen
sein, als mit dem Betrieb von Großkraftwerken, wie noch vor 20 Jahren.
Aber das Managen der vielen dezentralen Selbstversorger im Verbund ist
eine große Herausforderung, für die es das Know-How braucht, das in den
Konzernen vorhanden ist.