Eine kleine und leichte Reisesystemkamera

Eine kleine und leichte Reisekamera - Ein Gastbeitrag von Marco Huck

Reisen und Reisefotografie sind ein Schwerpunkt dieser Website. Wer reist und fotografiert, schätzt eine leichte und hochwertige Fotoausrüstung. In meinen Artikeln gehe ich vorwiegend auf Vollformatkameras oder auch APS-C Kameras ein. Aber die nächstkleinere Sensorgröße fand bislang zu wenig Beachtung: MFT. Ich möchte deshalb Marco Huck – einem Leser und begeisterten Fotografen – in seinem Gastbeitrag auf meiner Website die Gelegenheit geben einem zu wenig beachteten System Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Gastbeitrag von Marco Huck – Eine kleine und leichte Reisekamera

Mit diesem Beitrag möchte ich ein Kamera-System vorstellen, das vielen von euch sicherlich bekannt, aber wenig verbreitet ist. Das System hat teilweise mit Vorurteilen zu kämpfen, die auf die Anfangstage (im Jahr 2008) zurückzuführen sind.

Es handelt sich um das Micro Four Thirds System (MFT), speziell um die Olympus OM-D E-M10 Mark II. Meine Hauptmotivation, dieses System bei bestimmten Gelegenheiten zu wählen, liegt in der Gewichts- und Platzersparnis im Vergleich zu anderen Systemkameras. Ganz nach dem Motto „Weniger ist mehr“ konnte ich eine gebrauchte E-M10 II sehr günstig ergattern.

MFT im Vergleich mit einer Vollformat-Kamera-Ausrüstung

An dieser Stelle werfe ich sogleich einen (zugegeben etwas unfairen) Vergleich in den Raum:

Meine Nikon D610 mit 24-85 Standardzoom wiegt 1315 Gramm, die Olympus mit 12-42 Zoom kommt auf 502 Gramm, also weniger als die Hälfte. 1,3 Kilogramm für die Nikon scheint zunächst nicht sehr viel. Aber wenn noch ein zweites (drittes) Objektiv dazu kommt, Ersatzakku, Filter und eine passende Tasche oder Rucksack werden die Gewichts- und Größenunterschiede zwischen den Systemen immer drastischer.

Bei einer Flugreise habe ich mal meinen (Vollformat-) Kamerarucksack kurz vor dem Boarding gewogen und festgestellt, daß er 14(!) Kilogramm wog – deutlich mehr als eigentlich zulässig. Ich durfte trotzdem an Bord. Bei Trekking-Touren in den Bergen ist mir das Gewicht einfach zu hoch, selbst wenn ich einige Objektive im Hotelzimmer zurück lasse (warum habe ich sie überhaupt?).

Während es sicher viele Berufsfotografen gibt, die soviel schleppen müssen und es Hobbyfotografen gibt, denen 18 Kilo gar nichts ausmachen, zähle ich zur Kategorie Weichei und habe mir deshalb das kleine und kompakte MFT-System zusammen gestellt.

Meine MFT-Ausrüstung

Nebst Kamera und Kit-Zoom habe ich auf meiner letzten Reise zum Bodensee noch ein 40-150mm Telezoom, ein Weitwinkelkonverter und eine Makro-Nahlinse mitgenommen. Sowie übliches Zubehör, also Zweitakku, Speicherkarten, ein Polfilter etc.

Das passt bequem in eine leichte Schultertasche und stört gewichtsmäßig so gut wie  nicht. An manchen Tagen hatte ich gar nur die Kamera mit Standardzoom in einer kleinen Schutzhülle dabei. Aber wie steht es um die technischen Qualitäten dieser Systemkamera?

Mein Zwischenfazit: Auf Reisen für Urlaubs-, Landschafts- und Naturfotos, sowie für Schnappschüsse und Dokumentaraufnahmen liefert die kleine Kamera sehr schöne Resultate, die sich vor den Vollformat-Kollegen nicht verstecken brauchen.

Einige Beispielfotos

Vorurteile gegen das MFT System entkräften

MFT hat mitunter heute noch mit einigen Vorurteilen zu kämpfen, die ich an dieser Stelle weitestgehend entkräften will:

1.) Systemkameras mit elektronischem Sucher haben zu kurze Akkulaufzeiten.

Stimmt nicht, nur an einem einzigen Tag musste ich unterwegs auf den Zweitakku zurück greifen – aber dafür habe ich ihn schließlich! An allen anderen Tagen wurde der Akku abends im Hotel geladen, der zweite hatte Urlaub.

Zwar ist die Laufzeit insgesamt kürzer, wenn ich es mit DSLRs vergleiche, aber sie ist unterm Strich mehr als aureichend.

2.) MFT ist bei hohen ISO-Werten unbrauchbar.

Stimmt so auch nicht. Zwar ist die Leistung bei ISO-Werten ab ca. 1000 im direkten Vergleich schlechter als bei einer Vollformat-Kamera, aber von „unbrauchbar“ sind wir weit entfernt.

Zumal Bildbearbeitungssoftware auch im Hinblick auf Rauschreduzierung in den letzten Jahren gute Fortschritte gemacht hat. Wer allerdings oft mit sehr hohen ISO-Werten arbeiten *muss*, für den gibt es sicherlich leistungsfähigere (und größere und schwerere) Systeme.

3.) Der elektronische Sucher ruckelt, verzerrt und ist grobpixelig.

Das war in den Anfangstagen noch der Fall, ist aber längst Geschichte. Der Sucher der M-10 II ist meiner Meinung nach sehr gut und es ist sehr einfach möglich z.B. die Belichtung zu beurteilen (was sogar ein Vorteil im Vgl. zur D610 darstellt – mit einem optischen Sucher ist das offensichtlich unmöglich). Natürlich gibt es bessere Sucher (z.B. bei der Fujifilm X-T3, Nikon Z6 und deren Nachfolgern).

Aber diese Kameras sind dann auch wieder größer und schwerer (und teurer).

Berechtigte Kritikpunkte am MFT-System

Nun aber zu den echten Kritikpunkten. Da keine Systemkamera perfekt ist, hat auch die kleine Olympus Nachteile, die man nicht unter den Teppich kehren darf:

1.) Der (Single-) Autofokus ist bei statischen Motiven sehr schnell und treffsicher.

Aber bewegte Motive lassen sich mit dem kontinuierlichen AF nicht wirklich verfolgen. Die Kamera ist für Sport und Action sehr im Nachteil.

Dessen muss man sich bewusst sein. Wer Vögel im Flug und ähnliches fotografieren will, muss zu anderen Modellen greifen.

2.) Das D-Pad ist sehr klein und (für meine Finger) ungünstig platziert.

Meistens treffe ich nicht die richtige Taste, wenn ich z.B. das AF-Feld verschieben will. Oder ich muss die Kamera vom Auge nehmen und auf die Rückseite schauen. Oder ich muss vorsichtig die OK-Taste erfühlen und dann die Richtungstaste treffen. Bei meiner Nikon ist das D-Pad sehr viel besser platziert, größer, deutlich angenehmer und schneller in der Bedienung.

3.) Arbeitet man mit Blendenvorwahl und ISO-Automatik, geht die Kamera bei wenig Licht auf eine relativ lange Belichtungszeit von 1/20s hoch.

Da muss man beim fotografieren aufpassen. Zwar arbeitet der sensorbasierte Bildstabilisator hervorragend, aber je nach gewählter Brennweite drohen verwackelte Bilder. Im Zweifelsfall muss man auf den manuellen Modus schalten und Blende sowie Zeit selbst wählen. Fazit: Die ISO-Automatik ist bei Nikon (und anderen Herstellern) eindeutig besser, zumal je nach Modell eine brennweitenabhängige längste Zeit gewählt werden kann.

4.) Freistellung

Technisch bedingt ist die Tiefenschärfe beim kleinen MFT- Sensor deutlich größer im Vgl. zu Vollformatkameras (was je nach Situation aber ein Vorteil ist!). Doch wenn träumerisch-verwischte Hintergründe erwünscht sind, muss man mit langen Brennweiten „tricksen“

und unter Umständen auf recht teure Objektive, z.B. ein M.ZUIKO DIGITAL ED 75mm F1.8 zurückgreifen (rund 900€).

5.) Crop-Faktor

Wer bisher nur mit Vollformat-Kameras gearbeitet hat, muss sich an den Crop-Faktor gewöhnen, wenn man äquivalente Brennweiten wissen will.

Der Crop-Faktor ist 2, d.h. ein 12-42 mm MFT-Objektiv entspricht einer äquivalenten Brennweite von 24-84mm an einer Vollformat-Kamera. Es sei dahingestellt, ob das wirklich als Nachteil zu zählen ist, beim wählen meines Bildausschnittes schaue ich nie auf die tatsächliche Brennweite.

Lediglich bevor man ein Objektiv in die Reisetasche legt, sollte man wissen, daß ein 12-35mm Objektiv natürlich *kein* Weitwinkelzoom für MFT ist.

Fazit:

Wenn es mir auf Größe und Gewicht ankommt ist die kleine Olympus meine fest angestellte Zweitkamera geworden. Sie ersetzt mein Vollformat-System nicht, aber wenn ich beim wandern hoch auf den Penya des Migdia (und ähnlichen Ziele) unterwegs bin, tue ich mir eine schwere Ausrüstung zukünftig nicht mehr an. Die kleine Olympus liefert mit dem Standardzoom und dem (Budget-) Telezoom so überzeugende Ergebnisse, das sie im Handumdrehen einen Stammplatz in meiner (sowieso zu großen) Kollektion erorbert hat.

Außerdem muss man bedenken, daß die OM-D E-M10 II schon ein altes Modell (von2015) ist. Die Nachfolger haben natürlich die gleichen technischen Verbesserungen erhalten, wie andere Kamerasysteme. Sollte man also von der E-M10 II nicht überzeugt sein, lohnt sich ein Blick auf die modernen Varianten.

Last but not least hat auch Panasonic ein sehr großes Angebot an kleinen MFT- Kameras. Wer also mit wenig Gewicht tolle Fotos machen will, findet nach einiger Recherche garantiert ein passendes Modell. Auch bei MFT gibt es sehr leistungsfähige (aber auch teure!) Modelle. Und nie vergessen: Ein schönes Bild wird von der Person hinter dem Sucher gemacht, *nicht* von der Kamera! 🙂

Noch ein paar „Geheimtipps“:

Eine kleine und leichte Reisekamera - Ein Gastbeitrag von Marco Huck

Für das von mir verwendete Standardzoom „M.ZUIKO DIGITAL 14-42mm F3.5-5.6 II R“ gibt es interessantes Zubehör:

Wide Converter WCON P01 – ein Weitwinkel-Konverter (am Bajonett der Streulichtblende anzubringen), hierbei wird die kürzeste Brennweite auf 11 mm reduziert (entspricht 22mm im Vollformat). Die Bildqualität ist dann freilich nicht mit einer Festbrennweite vergleichbar. Aber für unterwegs ist das eine kompakte, leichte und kostengünstige Ergänzung, wenn man einen größeren Bildwinkel möchte.

Macro-Converter MCON P01 – eine Nahlinse, die auch für das Objektiv M.ZUIKO DIGITAL ED 40‑150mm F4.0‑5.6 genutzt werden kann. Ebenfalls eine schnelle, kostengünstige und platzsparende Lösung für Nahaufnahmen. 1:1 Makro ist damit zwar nicht möglich, aber man spart sich die (hohen) Kosten für ein echtes Makro-Objektiv (und natürlich wieder Platz und Gewicht).

Es gibt auch einen Fisheye-Converter FCON P01, aber diesen besitze ich nicht.

Für die Kamera gibt es einen Zusatzgriff ECG-3, der die Handlichkeit für große Hände verbessert. Ich habe allerdings nur die abgebildete Leder- Tragetasche verwendet.

Eine sehr gute Übersicht über das MFT-System findet man auf: https:// olypedia.de/ (dort findet man auch Informationen über das MFT-System von Panasonic).

Über den Autor Marco Huck

Marco, geboren 1971 im schönen Rheinland-Pfalz, knipste schon als kleiner Knirps alles was vor die Linse geriet – auch wenn sich kein Film in der Kamera fand (Sparmaßnahmen der Haushaltsregierung).

Inzwischen verdient er seine Brötchen in Teilzeit als Auto- und Motorradfahrlehrer und studiert mathematisch-technische Softwareentwicklung an einer Fernuniversität. Das hat (zum Glück) alles nichts mit Fotografie zu tun, denn das ist offensichtlich sein Hobby was längst zur Leidenschaft geworden ist.

Am meisten Freude bereitet ihm der Weg der fortwährenden Verbesserung, der scheinbar endlos ist. Auch wenn dieser Weg manchmal steinig und holprig ist und sich am am Ende des Tages oft eine Menge Ausschuss auf den Speicherkarten ansammelt.