Vorweg: Dieser Artikel über Reisefotografie lebt. Die Welt der Fotografie ist im Wandel, Kameras verschwinden zugunsten von Smartphones und es wird so viel fotografiert, wie nie zuvor. Ich aktualisiere diesen Artikel deshalb regelmäßig. Was Sie vor einem Jahr gelesen haben, hat sich möglicherweise geändert. Letztes Update am 28.03.2023
Was ist eigentlich Reisefotografie und warum schreibe ich einen Artikel darüber?
Ich habe zwar die Fotogene von meinem Großvater in die Wiege gelegt bekommen, bin dann letztendlich aber doch eher übers Reisen zur Fotografie gekommen als umgekehrt. Ich bin vom Beruf Geograph, war schon im Rahmen meines Studiums viel unterwegs und auf solchen Exkursionen zählt oft jedes Gramm Ausrüstung. Deshalb war für mich anfangs die Fotoausrüstung als solche nur in Form einer Kompaktkamera vorhanden. Die sollte gefälligst möglichst ohne Nachzudenken schöne Fotos machen und fertig – mit diesem Wunsch gehen heute vermutlich viele auf Reisen und es ist nichts verkehrt daran.
Aber dann irgendwann hat das Fotogen dann doch zugeschlagen und ich habe angefangen mich nicht nur mit Kameras und dem ganzen Zubehör, sondern auch mit Fotografie selbst zu beschäftigen – anfangs mit Schwerpunkt auf Ausrüstung und Zubehör, guter Werbestrategen sei Dank – und inzwischen eher mit Schwerpunkt bei der Verbesserung meiner eigenen Fototechnik. So viel zum Hintergrund.
Ich möchte Ihnen nur ein paar Tipps mitgeben, wie und was Sie eigentlich fotografieren wollen, was Sie später damit tun wollen und wenn Sie bereits eine große Ausrüstung haben, was Sie im nächsten Urlaub oder auf der nächsten Reise tun können, um ausdrucksstärkere und herausragendere Bilder zu machen, als bisher.
Überlegungen vor der Reise
Man möchte eine Reise machen und dabei kein Motiv und kein Foto verpassen – alles Quatsch. Dann kann man sich zu Hause auf den Fotos ansehen, wo man eigentlich war. Das hört sich platt an, aber jeder, der gern fotografiert, gerät gelegentlich in die Falle. Wie oft habe ich schon vor allem asiatische Touristen in Europa beobachtet, die ihre gesamte Umgebung nur durch das Objektiv einer Kamera oder eines Camcorders wahrnehmen. Deshalb sollte man sich schon vor der Reise mit dem Gedanken anfreunden nicht jeden Moment festhalten zu müssen. Das hat schon vor der Reise einen entscheidenden Vorteil – das Equipment kann reduziert werden – und es befreit, denn man weiß schon vorher, dass man nicht alles erwischen wird.
Man sollte sich im Klaren sein, was man fotografisch machen möchte und was man dazu braucht. Sollen die Fotos Freunden und Bekannten zeigen, wo man ist oder war und auf sozialen Medien gepostet werden? Soll im Anschluss eine aufwändige Nachbearbeitung für kommerzielle Nutzung oder Print erfolgen? Alles wird nicht gehen, das ist aber auch nicht schlimm. Wenn Sie kein Profi sind und ein paar Schnappschüsse machen wollen, nehmen Sie ihr Smartphone mit – damit decken Sie fast alles ab, was Sie brauchen werden. Man wird natürlich nicht mit einem iPhone eine Safari mit Großformataufnahmen bei schlechtem Licht machen können, genauso sollte man auf eine Hochgebirgsexkursion, bei der es auf jedes Gramm ankommt eine Ausrüstung mit 10 Objektiven transportieren. Wenn Ihre Ausrüstung so aussieht, bringen Sie vermutlich tolle Bilder mit nach Hause, werden sich aber kaum mit etwas anderem als mit der Dokumentation Ihrer Reise beschäftigen:
Grundsätzlich sollte man sich nicht einen Tag vor Abflug eine Kamera kaufen und mit dem Gedanken „Das Handbuch lese ich dann im Flugzeug“ in den Urlaub starten. Je mehr Sie mit Ihrer Kamera vertraut sind, desto weniger müssen Sie sich beim Fotografieren auf die Kamera konzentrieren und desto mehr können Sie Ihre Energie auf das Motiv konzentrieren.
Darüber müssen Sie sich vor der Reise Gedanken machen. Alternative: Sie haben eine Kamera mit bestimmten Eigenschaften und damit machen Sie Ihre Bilder. Und was damit nicht fotografiert werden kann (Unterwasser, große Zoombereiche oder ähnlich) wird eben nicht fotografiert. Auch das ist ok, aber Sie sollten diese Überlegung vor der Reise anstellen und zwar nicht erst einen Tag davor.
Welche Kamera, welches System – wer die Wahl hat…
Kameras und Kamerasysteme gibt es wie Sand am Meer, jede Gattung und
jedes System hat individuelle Vor und Nachteile – insgesamt kann ich
schon vorausschicken – je weniger desto besser.
Smartphones und Tablets
Noch vor wenigen Jahren habe ich mich sehr ablehnend und negativ über die Kameras in Handys geäußert. Das, was einem da als Kamera verkauft wurde, erinnerte eher an die Anfänge der Digitalfotografie als an einen brauchbaren Fotoapparat. Doch in den letzten Jahren hat sich unglaublich viel getan, so dass ich diese Passage dieses Artikels definitiv korrigieren muss.
Sieht man sich die Kameras von Handys wie dem Apple iPhone oder auch einem Google Pixel an, so kann man damit nahezu jede Kamera problemlos ersetzen und sogar noch mehr damit anstellen. Panorama-Assitenten, totale Vernetzung und Weiterverarbeitung – alles in einem Gerät. Adobe bietet mit Lightroom CC inzwischen auch eine durchaus professionelle Suite zur Fotobearbeitung auf dem Mobilgerät an.
Die Qualität der Fotos ist hervorragend und die Weiterverbreitungsmöglichkeiten sind unbegrenzt. Wer also ein extrem leichtes Setup für seinen Urlaub sucht, kann mit einem guten Handy schon auf die Reise gehen. Schwierig wird es immer noch bei sehr schlechten Lichtverhältnissen und hohen Kontrasten, aber das ist nur eine Frage der Zeit, bis die Smartphones und Tablets auch das können. Hier sind die Topgeräte von Apple, Samsung und Google schon auf sehr hohem Niveau. Deshalb mein Fazit: Wer nur ein paar Schnappschüsse machen möchte, kann alles andere zu Hause lassen. Lesen Sie mehr dazu in meinen Artikeln Tod der Consumer-Kamera und The best camera is the one that is with you. Ein Mittel- bis Oberklasse-Smartphone ist für nicht-professionelle Ansprüche eigentlich die optimale Reisekamera.
Deshalb meine Empfehlung aus dem Frühjahr 2023 für alle, die keine Kamera mitschleppen wollen, aber gute Bilder machen wollen: Einfach etwas mehr Geld für ein gutes Smartphone ausgeben. Samsung S22 , Google Pixel 6a oder Pixel 7 und selbstverständlich die iPhone 12, 13 oder 14 Modelle von Apple sind die besten Kameras, die man einfach in der Hosentasche haben kann.
Kompaktkamera – ja die gabs mal
Wer jünger ist, wird sich fragen, wovon schreibt der hier eigentlich. Es gab mal eine Zeit, da gab es keine Handys und wer keine Spiegelreflex hatte, hatte auf jeden Fall eine Kompaktkamera. Was früher die Kompaktkamera war, ist heute das Smartphone (siehe letzter Abschnitt).
Was die meisten Kompaktkameras konnten, können viele Smartphones besser – bis auf den optischen Zoom – doch auch hier legen Smartphones nach – wie die neuesten iPhone-Modelle beweisen. Es gibt ein paar Ausnahmen, auf die ich noch eingehe. Die Hersteller verbauten in ihren Kompaktkameras leider viel zu kleine und rausch anfällige Sensoren oder schlechte Software und Prozessoren, so dass die Bildqualität zwar gut, aber nicht mit der einer professionellen Kamera vergleichbar ist. So gut wie alle Smartphones erzielen eine bessere Bildqualität als Kompaktkameras – weshalb dieses Segment eigentlich tot ist.
Die Kompaktkamera hilft Ihnen auf Ihrer Reise sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Die Automatikprogramme sind in der Regel ausgereift und bei vielen Geräten kann man, auf Wunsch, manuell eingreifen.
Mit meinen Kompaktkameras habe ich immer sehr gute und ansprechende Fotos gemacht, vielleicht auch weil ich mich selbst technisch etwas eingeschränkt habe. So habe ich mich beim Fotografieren eher auf das Motiv als auf die Kamera konzentriert – das ist ein zentraler Ratschlag, den ich mitgeben möchte.
Preislich waren die Kompakten sehr attraktiv. Für unter 100€ bekam man noch in den 2010ern wirklich gute Kompaktkameras, wie die IXUS 105 im Foto. Mit einfachem Bedienkonzept und sehr geringem Gewicht ist so eine Kamera einer der besten Reisebegleiter.
Interessante Nische: Die Edelkompakte
Die einzige Nische, in der diese Kameragattung überlegt hat, ist das Segment der „Edelkompaktkameras“. Dazu zählen richtig gute aber auch sehr hochpreisige Modelle mit fest verbauten Objektiven. Das sind Kameras mit Vollformatsensor wie die Sony RX1R oder die Leica Q-Kameras.
In meinen Artikeln zum Thema Smartphone-Fotografie The best camera is the one that is with you und zum Tod der Consumer-Kamera gehe ich ausführlich darauf ein, dass für den Amateuranwender ein Smartphone häufig schon ähnlich gute Resultate liefert, der Workflow jedoch viel einfacher ist, denn ein Foto zu teilen und zu veröffentlichen nur einen Fingerklick oder Wisch weit weg ist.
Eine gute Alternative zu den teuren Vollformat-Kompakten sind auch die 1-Zoll Kameras von Sony, besonders die RX100-Reihe ist der perfekte Reisebegleiter. Interessant sind auch Modelle mit APS-C-Sensor wie die nur noch gebraucht erhältliche Nikon Coolpix A , die Fujifilm X100-Modelle oder der absolute Klassiker – die Ricoh GR3. Diese Kameras kombinieren kompakte Festbrennweiten, meist im Weitwinkel von 28mm bis 35mm mit den großen Sensoren von Spiegelreflexkameras. Damit verbinden Sie herausragende technische Bildqualität mit kompakter Bauweise. Schärfe und Abbildungsleistung sind überragend bei sehr geringem Gewicht. Hier ein kleines Beispiel von David Hobby, einem professionellen Fotografen, der dieses Leichtgewicht wärmstens empfiehlt:
Diese teureren Kameras sind eher ideale Zweitkameras für professionellere Fotografen und ambitionierte Amateure, die auf einer Reise mal nicht ihre ganze Ausrüstung mitnehmen möchten. Ich habe beispielsweise auf einer Indien-Reise ausschließlich mit der Nikon Coolpix A mit 28mm Festbrennweite und einem Smartphone (Google Nexus 5) fotografiert. Die Ausrüstung passte in eine Hosentasche und dennoch habe ich Fotos in der Qualität einer Spiegelreflexkamera mit nach Hause gebracht.
Meine Empfehlung aus dem Frühjahr 2023: Für 1.000€ Budget die Ricoh GR3 oder Fuji X100, für mehr Budget eine Leica Q2.
Bridge- / Superzoomkameras
Eine Bridge- oder Superzoomkamera kombiniert die Sensoren von kompakten Kameras mit großen optischen Zoomobjektiven. So kann eine Nikon Coolpix P900 beispielsweise mit einem 83-fach optischen Zoom aufwarten. Mit sinkenden Preisen der Systemkameras stirbt diese Kameragattung langsam aus, es gibt sie aber dennoch. Irgendwann setzte einem die Fotoindustrie, Fotofreunde oder wer auch immer den Floh ins Hirn, dass die kleine kompakte Kamera auf keinen Fall ausreicht und dass dieses bestimmte neue Modell all die Features und Funktionen hat, mit denen man die spektakulären Fotos machen wird, um die einen alle beneiden werden. Was tut man? Man kauft man sich eine Superzoom-Kamera Teil. So bin ich 2006 zu einer Bridge-Kamera gekommen. Das war eine Lumix FZ30 (siehe Foto) und abgesehen vom grauenhaften Bildrauschen – alles ab ISO400 war unbrauchbar – habe ich mit der Kamera fast die besten Reisefotos gemacht. Aber ich lag auch häufig daneben, weil man mit so einer kleinen Superzoom unglaublich viele Möglichkeiten hat. Allein 30 bis 420mm Brennweite und jede Menge Spielereien haben meine Gedanken häufiger um die Kamera schwirren lassen als ums Motiv. Aber der Vorteil keine Objektive wechseln zu müssen oder zu können und die kompakte Bauweise und das geringe Gewicht sind definitiv Punkte, die für diese Kameraart sprechen.
Wer auf diese Punkte besonders großen Wert legt, sollte über die Anschaffung einer Bridge oder vielleicht einer kompakten Spiegellosen Kamera nachdenken. Aber: Füße können in vielen Fällen den Zoom ersetzen – man muss sich nur bewegen.
2023 ist diese Kameragattung als Neugeräte nahezu verschwunden. Eine Systemkamera mit Wechselobjektiv ist hier klar die bessere Wahl.
Spiegelreflex / Systemkamera
Nach meiner Erfahrung mit einer Bridgekamera kam für mich 2006 die Frage auf, ob gleich auf Spiegelreflex oder noch mal auf eine andere Bridge. Ich entschied mich für Spiegelreflex. Eine Nikon D50, dazu ein brauchbares Midrange-Zoom von Sigma und ein 50mm Festobjektiv. Das war eigentlich ein ganz gutes Setup. Es passte alles noch in eine kleine Fototasche. Die gemachten Fotos waren echt gut aber ich habe häufig die besten Bilder gemacht, wenn ich eines der beiden Objektive nicht dabei hatte. Dann habe ich mir nämlich keine Gedanken gemacht, ob das andere in dieser Situation besser wäre.
Insgesamt konzentriere ich mich beim Fotografieren mit einer Spiegelreflex besser aufs Motiv, weil ich die Kamera intuitiv bedienen kann, ich habe einen richtigen Sucher und kann auch die Komposition besser kontrollieren. Insbesondere mit meiner Nikon Df muss ich mich nicht durch irgendwelche Menüs quälen, für wichtige Funktionen gibt es eine Taste.
Aber: die Spiegelreflex oder auch die neuen anderen Systemkameras laden gerade dazu ein, jede Menge Zubehör zu kaufen, damit man noch bessere Fotos macht.
Ich hatte irgendwann noch ein Macro, ein Tele, ein Weitwinkel. Das alles wieg echt viel und man ist mehr Zeit damit beschäftigt Objektive zu wechseln, zu reinigen, darüber nachzudenken welches das Richtige ist.
Die schlechtesten Fotos habe ich meistens gemacht, wenn ich entweder die Kamera neu hatte und noch nicht wie gewünscht bedienen konnte (ist mir 2011 in Kiew und Georgien so gegangen) oder als ich alles Zubehör dabei hatte (Paris 2010). In Paris hatte ich die D50 mit dem Weitwinkel, Standardzoom, Telezoom und einem kleinen 50mm dabei. Den ganzen Krempel habe ich komplett durch Versailles geschleppt, gebracht hat es nichts – Geld und gute Ausrüstung schießt keine besseren Bilder.
Deshalb mein Rat für Systemkameranutzer: Die Kamera wird Ihnen die Bilder liefern, die Sie aus ihr rausholen – technisch kann eine DSLM oder DSLR fast alles. Sie sollten wissen, wie die Kamera zu bedienen ist, und sich auf ein oder zwei Objektive konzentrieren, die Sie mitnehmen möchten. Dabei muss es nicht das 3000€ Profimodell sein.
Auch die Sensoren von Einsteigerkameras sind meistens richtig gut, egal ob Nikon, Sony oder Canon. Auch ein MFT-Sensor rauscht nicht mehr so stark wie vor 10 Jahren. Merke: Systemkamera gibts in groß (Vollformat), mittel (APS-C) und klein (MFT). Ja es gab auch mal das CX-System von Nikon aber am verbreitetsten sind diese drei Sensorgrößen.
Ich kann für den Einstieg in dieses Segment absolut keine Empfehlungen mehr geben, die sind schlichtweg alle gut. Allerdings Finger weg von Kit-Objektiven, gebt das Geld lieber für 1 oder 2 günstige Festbrennweiten (35mm oder 50mm) aus.
Weniger ist mehr
Wenn Sie reisen, wollen Sie sich nicht erst zu Hause anschauen wo sie gewesen sind, weil Sie nur den Finger auf dem Abzug haben. Sie sind kein Pressereporter, der ständig auf den perfekten Moment warten muss und dann eine Salve von Schüssen aus seiner Kamera abfeuert.
Machen Sie sich keinen Stress – das macht die Fotos nur schlechter. Nehmen Sie eine Kompaktkamera oder eine Bridge oder eine Spiegelreflex mit – völlig egal. Konzentrieren Sie sich auf Ihr Motiv und nicht auf Ihre Kamera. Nehmen Sie sich die Zeit, sich mit einer Situation auseinander zu setzen. Vertrauen Sie nicht auf Zoom sondern auf Ihre Beine. Bewegen Sie sich, studieren Sie Blickwinkel und ungewöhnliche Perspektiven. Beobachten Sie nicht nur, seien Sie mitten drin.
Profis geht es übrigens auch so. Martin Krolop hat ein schönes Video dazu veröffentlicht:
Und machen Sie weniger Fotos: Ich spreche ganz gern von inflationärem Umgang mit Fotos. Hier wird draufgehalten was das Zeug hält. Auch ich bin oft mit 1500 Bildern aus dem Urlaub gekommen. Davon sind nachher 200 gut genug fürs Album. Hätten Sie früher zu Analog-Zeiten 1500 Fotos gemacht? Das sind über 40 Filme!
Ihre Ausrüstung spielt für Reisefotografie keine Rolle
Je weniger Ausrüstung Sie mitnehmen, desto weniger müssen Sie tragen. Je
weniger Optionen Ihre Kamera bzw. Ihr Objektiv bietet, desto mehr
können Sie sich mit der Bildkomposition beschäftigen. Was wie eine
Einschränkung erscheint, gibt Ihnen Freiraum.
Spiegelreflex-Ausrüstung
Um das Thema Reisefotografie wird ja auch in diversen Foren recht gern diskutiert. Die einen sagen, nimm einfach ein Superzoom wie das Nikon 28-300 VR mit, da hat man alles in einem Objektiv. Die anderen sagen gute Qualität geht über alles und nehmen ein lichtstarkes 24-70mm mit, welches ja allein schon über 1kg wiegt. Hier kann ich in Sachen Reisetauglichkeit nur sagen: Gewicht ist alles! Ich habe meine D700 mit dem Tokina 28-70mm 2,6-2,8 drei Tage durch Kiew getragen, das waren 2,5kg an der Schulter – die merkt man abends. Also einfach mal ein paar von den schweren Dingern zu Hause lassen. Dann stellt sich übrigens oft die Frage, wozu man die überhaupt noch braucht. Aber das alles ist Geschmackssache.
Es gibt sie aber noch, die kompakten leichten Reisezooms, man muss manchmal schon ein wenig recherieren um die richtige Kombination aus Gewicht und optischen Fähigkeiten zu kennen. Bei Nikon gibt es für das Vollformat beispielsweise ein 28-105mm Objektiv, was als Reisezoom durchaus tauglich ist. In meinem Artikel Billige und günstige Standard-Zooms von Nikon fürs Vollformat habe ich mal einen kleinen Überblick zusammengestellt, welche Alternativen es auch für kleines Budget für die Reise gibt. Nikons neues 24-85 VR ist mit unter 500g ebenfalls ein kompakter Reisebegleiter, der jedoch aufgrund seiner starken kissen- und tonnenförmigen Verzeichnungen optisch die Freude etwas trüben könnte. Hier wäre als kleiner Geheimtipp noch das alte Nikon AF 28-70mm F3.5-4.5 D zu empfehlen. Das ist klein und kompakt, sehr leicht, hat sogar eine asphärische Linse und ist gebraucht auch schon für deutlich unter 100€ zu bekommen.
Ich verwende im Urlaub in der Regel nur 2 Objektive oder lasse die DSLR zu Hause und nehme meine kompakte Nikon Coolpix A mit. Zwei kompakte Festbrennweiten wiegen zusammen so viel wie ein gutes Standard-Zoom. Aber ich muss nicht immer beide mitnehmen. Ich nehme nur die Kamera und ein Objektiv mit an jedem Tag – die Bilder werden deutlich besser – weil ich den Kopf für die Komposition frei habe.
Nach zwei Wochen in Thailand ohne ein Zoom mit nur 2 kompakten Festbrennweiten an der D700 kann ich nur bestätigen – es funktioniert! Ich habe vermutlich deshalb bessere Bilder gemacht, weil ich mir mehr Zeit gelassen habe, oder es musste. Insbesondere mit manuellen Objektiven, wie dem Nikon AI Nikkor 28mm f/2.8 muss ich mir die Zeit zum Scharfstellen nehmen, man überdenkt dabei auch meistens die Komposition und findet einen besseren Bildwinkel. Und eine kleine Colt-Fototasche statt eines Fotorucksacks machen das Leben im wahrsten Sinne des Wortes leichter.
Und machen Sie sich keine Gedanken über die Fotos, die Ihnen „entgehen“. Sie werden dafür andere Fotos machen, die Sie vielleicht nicht gemacht hätten, weil Sie den Blick frei haben.
Ich nehme, wenn es nicht auf Autofokus-Geschwindigkeit ankommt ein 28mm Weitwinkel und ein 50mm Normal mit und das reicht. Beide Objektive sind so scharf wie das 1500€ teure 24-70 im jeweiligen Bereich aber wiegen zusammen keine 400g. Das 24-70 nutze ich gern bei Veranstaltungen oder in Studio-Situationen aber nicht auf eine 2-Wöchigen Rundreise.
Der Wechsel zu Festbrennweiten hat mich fotografisch enorm weiter gebracht. Ich habe mir abgewöhnt ständig die Objektive zu wechseln, wie ich es am Anfang (aus Gewohnheit von den Zoom-Linsen) gemacht habe. Versuchen Sie es ohne Zooms. Ihre Bilder werden definitiv gewinnen, wenn Sie sich für weniger entscheiden – dies ist vielleicht auch eine Erklärung für den großen Erfolg von Fujis X100. Eine Kamera, großer Sensor, ein Objektiv – fertig. Probieren Sie es aus – Sie werden bessere Bilder machen.
Wie gut eignen sich die verschiedenen Kameratypen für Reisefotografie?
Ich würde die Eigenschaften der unterschiedlichen Geräte so bewerten.
Smartphone / Tablet
+ geringes Gewicht
+ kompakteste Bauweise (außer bei Tablets)
+ einfache Bedienung
+ Schnittstelle zu Internet ect. inklusive
– mäßige bis schlechte Bildqualität bei mittleren bis dunklen Lichtverhältnissen
– optischer Zoom derzeit noch ausschließlich bei teuren Oberklassemodellen
Edel-Kompaktkamera
+ geringes Gewicht
+ kompakte Bauweise
+ große Sensoren, teilweise Vollformat
+ Lichtstarke Objektive liefern professionelle Bildqualität
– Hohe Preise, teilweise deutlich über den Systemkameras
Bridgekamera / Prosumer-Kompakte
+ geringes Gewicht
+ kompakte Bauweise
+ in der Regel lichtstarke Objektive mit großem Brennweitenbereich
– Superzoomobjektive haben in der Regel optische Einschränkungen wie starke Verzeichnung, Vignettierung
– Sensorgröße meist immer noch relativ klein (bis auf wenige Ausnahmen, wie Fuji X100 oder Canon G1X), mit den entsprechenden Nachteilen bei geringem Licht
Systemkamera mit oder ohne Spiegel
+ große Sensoren, sehr gute Bildqualität auch bei schlechtem Licht
+ Möglichkeit Lichtstarke Objektive oder Spezialoptiken zu verwenden
+ umfangreiches Zubehör
+ sehr robust
– hohes Gewicht
– große Gehäuse bei professionellen und semiprofessionellen DSLRs
– Wechseloptiken verursachen zusätzliches Gewicht und benötigen Platz
Sie haben Ihre Kamera für Reisefotografie gefunden – und jetzt?
Das waren jetzt viele Ausführungen, welche Kamera welchen Zweck erfüllt
und welche Vor- und Nachteile welches System mitbringt. Jetzt ist noch
kein einziges Foto geschossen. Macht nichts. Hier ein paar Ratschläge
zum besseren Bild:
- Nehmen Sie sich Zeit – sie sind auf einer Reise, nicht auf der Flucht und nicht professioneller Fotoreporter (sonst könnten Sie diesen Artikel schreiben)
- Fotografieren Sie weniger. Machen Sie lieber ein aussagekräftiges Bild, das den Ort, seine Menschen und seine Lichtstimmung einfängt, als jedes Detail zu fotografieren.
- Machen Sie einen Streifzug abseits der Touristenpfade.
- Machen Sie sich mit Ihrer Ausrüstung vertraut bevor Sie auf die Reise gehen.
- Bennett Stevens hat auf Photographylife.com einen schönen Artikel veröffentlicht, wie man in überlaufenen Plätzen trotzdem schöne Fotos machen kann: Maximizing Your Travel Photography in Crowded Places
Fazit
Die perfekte Ausrüstung für eine Reise gibt es nicht, aber Sie werden mit weniger Ausrüstung vermutlich zufriedener sein, weil Sie weniger mit sich herumtragen müssen und weniger Zeit mit der Technik verbringen werden. Aus diesem Gesichtspunkt würde ich sogar zu einer etwas anspruchsvolleren Kompaktkamera raten, wenn man gelernt hat zu fotografieren.
Wer einfach nur „knipsen“ möchte, fährt mit einem Smartphone am besten. Abdrücken, teilen, fertig.
Wer schon eine Systemkamera hat, sollte weniger Objektive mitnehmen – vielleicht nur ein 35mm oder 50mm, zur Not ein Zoom mit großem Brennweitenbereich – beispielsweise ein Nikon 24-120.
Im Vordergrund steht das Motiv und der Spaß am Fotografieren – nicht die Technik und nicht die Ausrüstung.
Meine Reiseausrüstung
Der Inhalt dieses Kapitels hat sich in den letzten Jahren oft verändert, aber im Kern ist die Aussage des ganzen Artikels immer gleich geblieben. Wenn ich eine Systemkamera dabei hatte, dann oft eine Nikon Df oder eine Nikon D780 sowie am häufigsten das Nikon AF-S Nikkor 35mm f/1.8 G ED, manchmal habe ich a uch noch ein 70-210mm f/4 mitgenommen aber dann doch selten benutzt.
Wenn ich überlege, welche Fotoserien im Kopf geblieben sind, dann sind diese oft mit meiner Nikon Coolpix A Kompaktkamera entstanden, die dank 16-Megapixel APS-C Sensor und hervorragendem 28mm Objektiv mein idealer Reisebegleiter ist.
Titelbild: Annie Spratt bei Unsplash