The best camera is the one that is with you

Von allen Zitaten rund ums Thema Fotografie ist dieses von Chase Jarvis das passendste. Es gibt zahlreiche Blogs und YouTube Channels, die am liebsten genau das noch einmal eindrucksvoll demonstrieren. Gib einem Profi irgendeine Schrottkamera und staue über die Ergebnisse. Denn es ist nicht die Kamera, sondern der Kreative, der sie bedient, der den größten Einfluss auf das Foto hat.

Und deshalb soll dieser Artikel ein Plädoyer für die Fotografie mit Smartphones sein, denn unsere kompakten Taschencomputer haben sich zu unglaublich guten Kameras gemausert und wir haben sie immer dabei.


Normalerweise würde ich auf einen Fotospaziergang wenigstens meine Nikon Coolpix A oder die Spiegelreflexkamera mit Objektiv mitnehmen. Aber meine Df war zum Zeitpunkt dieses Artikels gerade zur Sensor-Reinigung und bei der Coolpix A war der Akku leer. Also habe ich einfach nur mein Smartphone verwendet – und Resultate erzielt, die wirklich beeindruckend sind. Fairerweise muss ich auch sagen, dass mein Google Nexus 6P, das von Huawei gefertigt wird, eine der besten Kameras derzeit auf dem Markt hat – aber auch mit einem 2 Jahre alten Moto G oder sogar einem 4 Jahre alten iPhone 4 kann man bei Tageslicht wirklich klasse Fotos machen. Ich wollte bewusst viele verschiedene Lichtsituationen ausprobieren.

Der Workflow

Prinzipiell ist beim Fotografieren mit Smartphones mit einigen Apps der gleiche Workflow möglich, wie bei klassischen Kameras. Wer möchte, kann die integrierte Kamera App des Betriebssystems nutzen, so wie ich es auch bei den heute entstandenen Landschaftsfotos gemacht habe. Hier erfolgt die Konfiguration der Aufnahmeparameter jedoch weitestgehend automatisch und am Ende wird ein JPEG gespeichert, auf das man nur bedingt Einfluss nehmen kann. Anschließend erfolgt die Post-Produktion mit Anpassungen an Farben, Helligkeit, Kontrast und Zuschnitt.

RAW-Fotografie auf dem Smartphone

Es gibt eine noch überschaubare Anzahl an Apps, wie die mobile Version von Lightroom oder Manual Camera und ähnliche, in der auf einigen Geräten das Fotografieren in RAW möglich ist. Lightroom Mobile beispielsweise erstellt beim Fotografieren ein DNG-File, welches später auch am Desktop weiterbearbeitet werden kann.
Nachteil ist hier klar, wie auch bei jeder Kamera der deutlich höhere Speicherverbrauch. So hat bei meinem Nexus 6P ein Foto in 12 Megapixeln Auflösung eine Größe von etwa 5MB, das DNG liegt bei ca. 23MB. Wer hier einen kompletten Urlaub in RAW fotografiert, braucht entweder einen großen Telefonspeicher – beim Nexus 6P ist dieser nicht erweiterbar – oder ein Smartphone, welches mit einer Speicherkarte erweitert werden kann bzw. einen Cloudspeicher, der wiederum eine Online-Verbindung voraussetzt. Das sind Einschränkungen, die man bedenken muss – ich hoffe, dass sie sich in den nächsten Jahren erübrigen. Es gibt ja auch noch die Möglichkeit einfach weniger Fotos zu machen. In früheren Urlauben wurden ja auch nur 2 oder 3 Filme je 36 Fotos geschossen und nicht 20 oder 30.

Aufnahmesituationen

Die Aufnahmesituation war bei diesem Test wie folgt: Es war ein sonniger Sonntagmittag, ich bin ein paar Waldwege und Wiesen entlang gewandert, das Wetter war sonnig mit zunehmender Bewölkung, ich habe sowohl bei Sonne als auch im Schatten und im Wald fotografiert, dabei auch Situationen mit hohem Kontrast genutzt. Hier mal ein Überblick verschiedener Fotos aus verschiedenen Aufnahmesituationen. Ich gehe jeweils darauf ein, wie ich das gewünschte Ergebnis erreichen konnte und welche Probleme aufgetreten sind.

Aufnahmesituation: Direktes Sonnenlicht

Herausforderung bei diesem Bild ist, den hohen Kontrastumfang abzubilden. Sowohl der Weg als auch die hellen Wolken sollen sichtbar sein, gleichzeitig möchte ich aber auch blauen Himmel und die grünen Bäume abbilden. Ich habe die HDR-Automatik der Kamera genutzt. Die Farben sind auch nach Nachbearbeitung in Lightroom etwas zu stark gesättigt.

Aufnahmesituation: Makro

Die größte Schwierigkeit bei diesem Foto, welches frei Hand gemacht ist, war die Schärfe bzw. den richtigen Fokuspunkt zu finden. Auf dem Display habe ich den Fokus jeweils auf die Blume gerichtet aber erst beim zweiten oder dritten Anlauf mit verschiedener Entfernung vom Motiv habe ich ein scharfes Foto erhalten. Das Motiv vom Hintergrund freizustellen, ist reine Glückssache, da ich mit der Standard-Foto App von Google keinen Einfluss auf die Blende nehmen kann.

Aufnahmesituation: Panorama bei bewölktem Himmel

Panoramafotografie ist eine Paradedisziplin der Smartphone-Apps und sie machen ihren Job richtig gut. Natürlich erhält man nicht die gleiche Qualität, wie bei einem HDR-Panorama, welches in RAW mit einer Spiegelreflex fotografiert wurde aber zum Teilen und Zeigen allemal ausreichend. Wichtig ist, langsam und ruhig zu schwenken und darauf zu achten, dass sich das Motiv so wenig wie möglich bewegt. In diesem Fall zogen Wolken auf, so dass die Kontraste etwas flauer wurden. Auffällig bei diesem Foto ist der Detailverlust im Vordergrund. Um hier die Details etwas herauszuarbeiten, habe ich den Kontrast etwas erhöht – aber es ist ein Einheitsmischmasch und von einzelnen Grashalmen ist nicht mehr viel erkennbar. Das ist ein generelles Problem, dass die Bilder durch die Apps häufig überschärft und mit zu viel Kontrast erstellt werden, so dass nachträglich verlorene Details nicht wieder hergestellt werden können.

Aufnahmesituation: Wald mit Schatten

Eigentlich war es wesentlich dunkler als das Foto es darstellt. Ich habe wieder die HDR-Funktion der Kamera-App genutzt und ein eigentlich ganz gutes Ergebnis erhalten. Es ist etwas überschärft und vor allem die Grüntöne ist zu Bonbon-Farben ausgeprägt.

Geolokation eingebaut

Der Vorteil des Smartphones ist das eingebaute GPS. Man sollte es allerdings auch wirklich einschalten. Ich hatte die Standortbestimmung meines Smartpones im Energiesparmodus. Hier werden Funkzellen und WLANs zur Interpolation des Standortes genutzt. Das Ergebnis ist ein Desaster. Im rot eingekreisten Bereich war ich unterwegs, in Orange sind die in den Fotos hinterlegten Standorte angezeigt.

Fazit

Insgesamt kann ich ein wirklich positives Fazit ziehen. Auch ein Smartphone macht wirklich herausragende Fotos – nicht in jeder Situation – aber in den meisten. Sie leisten hier mehr, als die meisten Kompaktkameras noch vor wenigen Jahren geboten haben.

Es gibt ein paar Dinge, die man jedoch im Kopf haben sollte:

  • Die Smartphone-Software überschärft viele der Bilder – sie sehen dann auf dem Monitor des Telefons toll aus, aber wenn man sie auf einem großen Monitor betrachtet, sieht man doch oft einen körnigen Einheitsbrei.
  • Die Farben sind oft etwas zu grell und die Kontraste ein wenig zu hoch – diese Parameter lassen sich, wenn man in RAW fotografiert, problemlos in der Postproduktion korrigieren.
  • Die HDR-Automatik kann in kontrastreichen Situationen hilfreich sein, allerdings sind die Ergebnisse auf dem zweiten Blick etwas unausgewogen.

Das Smartphone ist die Immerdabei-Kamera. Alle genannten Nachteile spielen keine Rolle, wenn man im richtigen Moment abdrückt.