Durch Zufall habe ich eine Lubitel 166B in die Hände bekommen. Die Kamera ist aus dem Jahr 1982 und ich wusste nicht, ob sie noch funktioniert. Es gab nur einen Weg das herauszufinden: Ich kaufte die günstigste Rolle 120er Film, die ich finden konnte – Fomapan 400 für knapp 8€. Aber wie verwendet man diesen Film? Wie fotografiert man mit dieser Kamera? Wie messe ich richtig die Belichtung? Wie scanne ich so große Negative? Ich habe viel dazu gelernt.
Die Lomo Lubitel 166B

Leningradskoje Optiko Mechanitscheskoje Objedinjenije produziert ab 1980 diese Variante der Lubitel 166. Neben der B gibt es auch noch den Vorgänger, der bereits in den 1970ern auf den Markt kam, Nachfolger ist die 166 Universal. Die Kamera ist offensichtlich angelehnt an die Voigtländer Brillant, die bereits 1932 erschien.
Das Prinzip dieser Kameras ist sehr simpel: Es handelt sich um sog. Twin-Lens-Reflex Kameras. Sie verfügen neben dem Objektiv, mit dem die Fotos gemacht werden, über ein zweites, welches mit dem Sucher verbunden ist. Ich hatte bislang zwar schon einmal solche Kameras in den Händen gehabt, bspw. eine Mamiya C330 aber tatsächlich noch nie mit einer solchen Kamera fotografiert.

Die Lubitel 166 ist sehr simpel konstruiert. Das Gehäuse ist aus Kunststoff und etwa so breit wie der Film. Die Fotos entstehen im Format 6 x 6. Das Aufnahme-Objektiv hat eine Brennweite, die etwa 45mm Kleinbildformat entspricht und eine maximale Blendenöffnung von 4,5, die sich bis 22 schließen lässt. Das Objektiv hat einen Zentralverschluss, der neben Langzeitbelichtung B Zeiten von 1/15, 1/30, 1/60, 1/125 und 1/250 Sekunden ermöglicht. Neben dem sehr filigranen Auslöser auf der rechten Seite am Objektiv gibt es noch einen Selbstauslöser und einen Anschluss für einen Drahtauslöser.

An der Oberseite befindet sich der Lichtschachtsucher. Er liefert ein spiegelverkehrtes, aufrechtes Bild, mit etwas Übung bekommt man damit einen ganz guten Eindruck des Motivs. Im Sucher kann noch eine kleine Lupe ausgeklappt werden, mit der man einen Punkt in der Mitte ganz gut scharf stellen kann. Eine richtige Mattscheibe hat die Kamera nicht.

Klappt man die Kamera auf, kann man einen 120er Rollfilm einlegen. Ein kleines Fenster auf der Rückseite der Kamera hilft zu erkennen, bei welchem Bild man ist und dass man korrekt den Film weiter spult. An der Unterseite befindet sich ein Stativgewinde, dazu gibt’s noch Schlaufen für einen Tragegurt. Der originale ist aus sehr steifem, schwarzen Kunstleder. Das wars. Eine extrem einfach aufgebaute und leichte Kamera, die laut Beipackzettel auch für Temperaturen bis -15°C freigegeben ist.
Was gibt es nicht? Einen Belichtungsmesser zum Beispiel.
Fotografieren mit der Lubitel 166B
Nachdem ich mich mit der Kamera vertraut gemacht hatte, stellten sich zwei praktische Fragen: Wie legt man einen Rollfilm ein? Und wie messe ich die Belichtung?
Frage 1 wie legt man einen Film ein
Zur Handhabung der Kamera gibt es zahlreiche Erklärvideos auf YouTube, ich habe hier eins verlinkt, das mir ganz gut geholfen hat.

Die Handhabung des Rollfilms war einfacher als erwartet. Im kleinen Fenster auf der Rückseite erkennt man die Position des Films sehr gut. Das Weiterspulen ist erstaunlich einfach und präzise. Allerdings sollte man sich wirklich angewöhnen nach jedem Bild weiter zu spulen – sonst bekommt man Doppelbelichtungen. Wenn das als Stilmittel eingesetzt ist, schön aber als Versehen ist das ein verschwendetes Foto.
Frage 2: Wie misst man die Belichtung?
Daraus könnte man jetzt eine Wissenschaft machen. Oder man benutzt eine einfache Methode „Sunny 16“. Oder man verwendet eine App. Ich habe letzteres getan.
Sunny 16 ist auf dieser Seite hier auf Deutsch sehr gut erklärt: https://lichtgriff.de/ohne-belichtungsmesser-sunny-16-spezial/
Ich habe drei Belichtungsmesser-Apps auf meinen Google Pixel 9 ausprobiert: Die beiden kostenfreien Apps „Lightmeter“ und „Light Meter“ und die kostenpflichtige „LightMeter“ für 2,99. https://play.google.com/store/apps/details?id=com.dq.fotometroNa&hl=de .Bei allen ist das Prinzip ähnlich: Man stellt die Empfindlichkeit des Films ein und kann messen, bei welcher Blende welche Belichtungszeit erforderlich ist.
Um meine erste Rolle Film zu fotografieren, bin ich mit der Kamera durch die Straßen von Nürnberg gezogen und unter anderem auf einer Demonstration der LGBTQ-Community vorbei gekommen. Ich habe dort fotografiert – allerdings empfand ich die Messung der Belichtung mit der App und dann das Komponieren des Fotos mit spiegelverkehrtem Sucher schon sehr langwierig. Spontane Fotos sind so echt schwer möglich – ich brauche hier vermutlich noch Übung und Routine.
Also musste ich mir mehr Zeit nehmen. Ich versuchte es mal mit ein paar „Stillleben“, wie diese Aufnahmen hier:
Nach 12 Aufnahmen war der Film voll und durch weiterspulen hat man irgendwann den gesamten Film auf der zweiten Rolle und kann die Rückwand öffnen und den Film entnehmen.
Entwicklen, scannen, und weiterverarbeiten
Ich hab den Film im Studio95 Fotolabor in Nürnberg selbst entwickelt. Beim Einspulen im Wechselsack bin ich fast verzweifelt, weil der Fomapan der dünnste Film ist, den ich je in der Hand hatte. Er ließ sich extrem schlecht in die Filmspule der Entwicklerdose einfädeln. Aber es hat dann geklappt und ich habe den Film mit Moersch Entwickler am Ende doch noch entwickeln können.
Doch wie scanne ich jetzt die Negative? Normalerweise nutze ich den Nikon ES-2 Adapter auf einem Nikon AF-D Micro-Nikkor 60mm f/2.8, doch damit lassen sich nur Filme und Dias im Kleinbildformat scannen. Die D780 kann dabei die Negative in der Kamera in Positive umwandeln.
Mein alter Canon-Flachbett-Scanner mit 600 DPI Auflösung lieferte leider nicht die gewünschten Ergebnisse. Aber Not macht erfinderisch.

Ich habe einen Karton gefunden, in den mein Smartphone hervorragend reinpasst. Ich habe einen 6,5 x 6,5 cm großen Ausschnitt angefertig. Als Lichtquelle dient das Display des Smartphones, das ich mit einer App als Dauerlicht eingestellt habe. So lassen sich die Negative gleichmäßig ausleuchten. Diese kann ich anschließend mit meiner D780 und dem 60mm Makro-Objektiv abfotografieren. Die Ergebnisse sind ganz akzeptabel geworden.
Fazit
Wer was übers Fotografieren lernen möchte, sollte mit so einer Kamera losziehen. Alles ist mechanisch, der Prozess ist langsam und erfordert Konzentration, vom Aufnehmen des Bildes bis man es ggf. online stellen kann, vergehen gefühlt Jahre und jedes Foto kostet mindestens 1 Euro. Wozu das also?
Es macht wirklich spaß, man bekommt sehr interessante und künstlerische Ergebnisse und man lernt endlich wirklich, warum Fotografie mal ein Handwerk war – mehr als nur auf einen Knopf drücken.
Eine tolle Erfahrung!