Wie erstellt, man charakteristische Portraits, die eine Geschichte erzählen? Als Fotograf erzählt man mit jedem Bild eine Geschichte. Die kann während des Fotoshootings entstehen, sie kann aber auch vorher schon entwickelt werden. Sie kann im Bild selbst als gezeigte Handlung, über Requisiten oder auch einfach über das Gesicht des Motivs erzählt werden. Das Portrait mit Charakter ist oft das Gesicht eines älteren Menschen. Es zeigt mit seinen Linien, Falten und Altersflecken viel vom Leben. Mit dem richtigen Licht kann man diese sehr gut in Szene setzen.
Diese Gedanken gilt es vor dem Fotoshooting zu machen, denn während man fotografiert, benötigt man seine Konzentration für die Interaktion mit dem Modell.
Die Person kennen lernen
Das wichtigste ist, sich Zeit zu nehmen. Meistens gelingt das gewünschte Portrait erst nach eigen Anläufen – schließlich brauchen Modell und Fotograf etwas Zeit um miteinander warm zu werden. Wer schon oft vor der Linse stand, weiß oder ahnt vielleicht, was der Fotograf erwartet oder wie er einzelne Anweisungen umsetzen kann. Als Fotograf gilt das gleiche – sprecht mit Eurem Modell und schafft eine vertrauensvolle Atmosphäre. Seid geduldig und gebt Anweisungen, die Euer Modell auch umsetzen kann. Man kann sehr viel auch über Blickkontakt steuern – sogar, wenn man nicht die gleiche Sprache spricht. Und wichtig auch – tauscht Euch mit Eurem Modell über das Ergebnis aus – denn es muss Euch beiden gefallen.
Die Ausrüstung kennen
Eigentlich ist es egal, womit man fotografiert. Wichtiger ist, dass man seine Ausrüstung gut kennt. Denn die Anspannung oder Unsicherheit, die man als Fotograf ausstrahlt, wenn man mit seiner Ausrüstung nicht vertraut ist, überträgt sich auf das Modell und das sollten wir auf jeden Fall vermeiden. Deshalb heißt es üben, üben, üben. Und im Zweifelsfall lieber mit einem simplen Setup starten – und das kann auch einfach das Smartphone sein. Je weniger Ausrüstung, desto besser. Und wenn man viel Equipment verwendet, sollte man so viele Parameter wie möglich unter Kontrolle haben, dann wird es einfacher. So empfiehlt es sich im manuellen Modus zu fotografieren – also Blende- und Verschlusszeit, ggf. auch die Lichtempfindlichkeit fest zu wählen, ggf. auch die Blitzleistung. Dann kann man so lange einen dieser Parameter verändern, bis man das gewünschte Ergebnis hat. Möchte man beispielsweise eine Bildserie erstellen, kann es durchaus empfehlenswert sein, diese Parameter zu notieren. Dazu gehören auch Abstand von Kamera oder Licht zum Motiv usw. Dann kann man ein und dasselbe Setup immer und immer wieder aufbauen und verwenden und hat mehr Zeit sich mit seinem Modell zu beschäftigen, zu unterhalten, als mit der Technik zu kämpfen.
Es muss nicht immer ein Portrait-Objektiv sein!
Um mit den Mythen aufzuräumen: Portraits kann man mit jedem Objektiv machen. Es kommt eher darauf an, was man zeigen möchte. Wie viel Kontext soll mit auf das Foto?
Möchte man die Person in seiner Umgebung – vielleicht einer Werkstatt oder seiner Wohnung zeigen, eignen sich weitwinkligere Objektive sehr gut. Ein 28mm oder 35mm machen den Raum weit auf erlauben aber mit den marktüblichen 1.4 bis 2.8er Blendenöffnungen dennoch ausreichend Tiefenunschärfe um das Motiv zu betonen.
Klassische Portraitobjektive sind eher im Brennweitenbereich von 50mm bis 85mm. Mit diesen Brennweiten ist man noch nah genug an der Person dran um mit ihr interagieren zu können. Mit etwas stärker geöffneten Blenden lässt sich das Motiv sehr gut vom Hintergrund isolieren. Im Studio werden hier auch gern noch etwas größere Brennweiten wie 105 oder 135mm eingesetzt.
Für den Außenbereich mit richtig großer Motivfreistellung greift man am besten zu einem Tele- oder Telezoom mit großer Blendenöffnung. Ein klassisches 70-200mm f/2.8 ist hier bei vielen Fotografen die bevorzugte Wahl.
Für reproduzierbare Aufnahmesituationen: Das Fotostudio zum Mitnehmen
Soll der Hintergrund beispielsweise für eine Fotoserie bei jedem Portrait identisch sein, kommt man entweder um eine feste Location nicht herum oder man verwendet einen transportablen Hintergrund, den man überall aufbauen kann. Ich verwende einen Walimex 2-in-1 Falthintergrund mit einer schwarzen und einer hellen Seite. Ich montiere diesen auf ein Lichtstativ und kann so in jedem beliebigen Raum, der nicht zu windig ist, den Hintergrund erzeugen, den ich für meine Bilder möchte.
Wenn identische Bild-Looks entstehen sollen, muss auch die Lichtquelle oder die Lichtquellen bei jedem Setup gleich aufgestellt werden können. Obwohl ich überaus gern mit natürlichem Licht arbeite, gelingen mir die besten Portraits mit einem Blitzgerät. Dafür reicht oft schon ein simpler Aufsteckblitz, der entweder auf der Kamera über eine reflektierende Oberfläche wie eine Decke oder Wand das Modell indirekt anblitzt und so ein gleichmäßiges Licht schafft. Eine Softbox kann helfen, das Licht noch besser zu steuern – diese gibt es auch in allen Größen. Auch diese können mit Aufsteckblitzen bedient werden, die dann von der Kamera über Funkauslöser oder direkt mit der Kamera kommunizieren.
Dabei ist natürlich Sicherheit immer das Wichtigste. Große Falthintergründe sind sehr windempfindlich, deshalb gilt es darauf zu achten, dass sie nicht umfallen und das Model verletzen können. Auch Stativfüße sind beliebte Stolperfallen – deshalb ist Ruhe und Sicherheit sehr wichtig.
Man kann so ein Setup sehr aufwändig gestalten – je mehr Erfahrung man hat, desto leichter wird einem das fallen. So kann man verschiedene Lichtsituationen mit mehreren Lichtquellen erzeugen – das müssen nicht immer Blitze sein, sondern auch Dauerlicht oder Lichtleisten erlauben sehr kreative Beleuchtungseffekte. Ich empfehle das Studiosetup in Ruhe aufzubauen und dann das Modell damit vertraut zu machen. Markierungen am Boden – beispielsweise ein Klebestreifen können Eurem Modell helfen, seinen Platz zu finden.
Nachbearbeitung
Ich fotografiere meine Bilder stets in RAW, damit ich im Rahmen der Nachbearbeitung möglichst viele Parameter noch so verändern kann, dass der gewünschte Bildlook entsteht. Aber: der initiale Look entsteht bei der Aufnahme – hier muss das Licht bereits entsprechend gestetzt worden sein. Ausgebrannte Highlights lassen sich meistens nur noch begrenzt zurückholen – unterbelichtete Bereiche können meistens etwas besser gerettet werden. Wenn ich Schwarz-Weiß Portraits machen möchte, stelle ich die Kamera (in meinem Fall eine Nikon) so ein, dass als Bildstil Schwarz-Weiß gewählt ist. Dann erzeugt die Kamera ein Raw mit dem vollen Farbspektrum, zeigt aber im Vorschaubild ein Schwarz-Weiß-Bild an. Das hilft, bei den ersten Probeaufnahmen das Licht so einzustellen, wie ich es mir vorstelle und verkürzt die Arbeit bei der Nachbearbeitung. Klassische Nachbearbeitungsprogramme wie CaptureOne, Lightroom oder Photoshop ermöglichen es mit Filtern und Reglern noch viele Details zu verändern – beispielsweise Kontraste zu erhöhen und so Falten im Gesicht stärker zu betonen. Dafür braucht es etwas Zeit, die lohnenswert investiert ist. Auch hier gilt: üben, üben, üben.